Antrag zur 7. Beschlussvorlage (Artikel 10, Absatz 3)


Es wird beantragt: Den dritten Absatz wird abgelehnt. Das Nähere regelt hier die Geschäftsordnung.

Begründung: Wenn es im zweiten Satz dieses Artikels heißt, dass „die Tagesordnung an dieser Versammlung mit der Einladung an alle Mitglieder sechs Wochen vor der Tagung bekannt gegeben wird“, so ist selbstverständlich davon auszugehen, dass dies in der Beilage, dem Nachrichtenblatt, veröffentlicht wird, da dieses Gesellschaftsorgan laut Artikel 14 „die offiziellen Mitteilungen der Gesellschaft enthalten soll.“ Dies extra zu erwähnen scheint deswegen überflüssig. Die Frage aber ist, ob alle Mitglieder damit gedient werden, denn heute beziehen nicht alle Mitglieder die mit der Beilage erweiterten Wochenschrift (bei den 50.000 Mitglieder ist das nur bei etwa 30.000 der Fall). Bei den außerordentlichen Generalversammlungen heißt es sogar, „er [der Vorstand] soll drei Wochen vorher die Einladungen an die Mitglieder versenden“, also nicht bekannt geben, sondern versenden, was durchaus bedeuten könnte: persönlich per Brief anschreiben. Wie wir schon [beim Anliegen] gesehen haben, die Veröffentlichung im Gesellschaftsorgan genügt nicht; die Sache muss in der Geschäftsordnung näher geregelt werden.
Was die Einschränkung der Anträge auf die vom Vorstand festgestellte Tagesordnung betrifft, so ist hier erstens einzuwenden, wie auch schon erwähnt, dass die Berufung dabei auf dem Artikel 67, Absatz 3 des ZGB ein Trug- oder Fehlschluss ist, denn im Kommentar des Schweizerischen Zivilgesetzbuch „Kap. IV. Der Abstimmungs-Gegenstand,“ Absatz 18 heißt es: „Ein Gegenstand ist dann gehörig angekündigt worden, wenn die Vereinsmitglieder nach Einsicht in die Tagesordnung und die Statuten leicht erkennen können, über welche Gegenstände zu beraten und ggf. ein Beschluss zu fassen sein wird.“ Wie schon Sebastian Boegner hier angegeben hat, kann man das Problem von nicht vorgesehen Anträge leicht dadurch lösen, dass auf die Tagesordnung immer einen Punkt „Verschiedenes“ einzufügen wäre.
Dass indessen ein Beschluss immer Zwang bedeuten würde, wie oft behauptet wird, ist einfach zu kurzsichtig gedacht. Denn erstens ist man nicht gezwungen zu stimmen, man kann sich der Stimme ja enthalten, und zweitens braucht man den Beschluss nicht auszuführen, denn man kann immer zurücktreten.
Eher ist es so, dass Zwingendes in der mit diesen Beschlussvorlage vorgestellten Abschaffung des von Rudolf Steiner in den Statuten verankerten freien Antragrechtes liegt, und deswegen völlig unvereinbar ist mit der Freiheitsphilosophie der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners. Denn dieses freie Antragsrecht ist das Instrumentarium oder Werkzeug [des Begriffs] der Persönlichkeit überhaupt. Dies ist durchaus abzuleiten aus Rudolf Steiners Frühwerk Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung. Da ließt man im Kapitel „Geist und Natur: „Der Typus [die Idee, wie sie sich in der Allgemeinheit darlebt] hat die Bestimmung, sich im Individuum zu realisieren. Die Person hat diese, bereits als Ideelles wirklich auf sich selbst ruhendes Dasein zu gewinnen. Es ist etwas ganz anderes, wenn man von einer allgemeinen Menschheit spricht, als von einer Naturgesetzlichkeit. Bei letzterer ist das Besondere durch die Allgemeinheit bedingt; bei der Idee der Menschheit ist es die Allgemeinheit durch das Besondere.(...) Dass das Besondere zugleich das Gesetzgebende ist, charakterisiert die Geisteswissenschaften; dass dem Allgemeinen diese Rolle zufällt, die Naturwissenschaften.“ Hierin liegt gerade das Wesen der modernsten Gesellschaft, die es geben kann, dass nämlich mittels dem freien Antragsrecht das Besondere, hier das Einzelmitglied, der Allgemeinheit, hier der Generalversammlung, ein Konzept als Motiv für ihr Handeln antragen kann, und dass dieser, nach genügender Absprache und Beratung, beschließen kann dieses Motiv zu verwirklichen, in die Praxis umzusetzen. Das freie Antragsrecht einschränken, ja sogar abschaffen, heißt die Anthroposophische Gesellschaft als Freiheitsgesellschaft einkerkern.



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