Unter der Voraussetzung, das die Legitimität und Beschlußfassung der Generalversammlung geklärt ist, möge diese beschließen, das alle Anliegen und Anträge, die fristgemäß, also eine Woche vor Beginn, beim Vorstand eingereicht wurden, auch behandelt werden. Falls es sich herausstellt, das die Generalversammlung nicht beschlußfähig wäre, dann sollen die Anliegen und Anträge, so weit wie möglich, besprochen, und mindestens erwähnt werden.
Begründung: Hier gilt zunächst was zur Begründung zum
Antrag zur 7. Beschlussvorlage (Art. 10, Abs. 3) geschrieben wurde (Siehe: Zeitschrift
Schauplatz Goetheanum, S. 13): „Was die Einschränkung der Anträge
auf die vom Vorstand festgestellte Tagesordnung betrifft, so ist hier erstens
einzuwenden, das die Berufung dabei auf dem Artikel 67, Absatz 3 des ZGB ein
Trug- oder Fehlschluß ist, denn im Kommentar des Schweizerischen Zivilgesetzbuch
„Kap. IV. Der Abstimmungsgegenstand,“ Absatz 18 heißt es: „Ein Gegenstand
ist dann gehörig angekündigt worden, wenn die Vereinsmitglieder nach
Einsicht in die Tagesordnung und die Statuten leicht erkennen können, über
welche Gegenstände zu beraten und ggf. ein Beschluß zu fassen sein
wird.“ Wie schon Sebastian Boegner hier angegeben hat, kann man das Problem
von nicht vorgesehen Anträge leicht dadurch lösen, das auf die Tagesordnung
immer einen Punkt „Verschiedenes“ einzufügen wäre.
Das indessen ein Beschluß immer Zwang bedeuten würde, wie oft behauptet
wird, ist einfach zu kurzsichtig gedacht. Denn erstens ist man nicht gezwungen
zu stimmen, man kann sich der Stimme ja enthalten, und zweitens braucht man
den Beschluß nicht auszuführen, denn man kann immer zurücktreten.
Eher ist es so, das Zwingendes in der mit diesen Beschlussvorlage vorgestellten
Abschaffung des von Rudolf Steiner in den Statuten verankerten freien Antragrechtes
liegt, und deswegen völlig unvereinbar ist mit der Freiheitsphilosophie
der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners. Denn dieses freie Antragsrecht ist
das Instrumentarium oder Werkzeug [des Begriffs] der Persönlichkeit überhaupt.
Dies ist durchaus abzuleiten aus Rudolf Steiners Frühwerk Grundlinien einer
Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung. Da ließt man im Kapitel
„Geist und Natur: „Der Typus [die Idee, wie sie sich in der Allgemeinheit darlebt]
hat die Bestimmung, sich im Individuum zu realisieren. Die Person hat diese,
bereits als Ideelles wirklich auf sich selbst ruhendes Dasein zu gewinnen. Es
ist etwas ganz anderes, wenn man von einer allgemeinen Menschheit spricht, als
von einer Naturgesetzlichkeit. Bei letzterer ist das Besondere durch die Allgemeinheit
bedingt; bei der Idee der Menschheit ist es die Allgemeinheit durch das Besondere.(...)
Das das Besondere zugleich das Gesetzgebende ist, charakterisiert die Geisteswissenschaften;
das dem Allgemeinen diese Rolle zufällt, die Naturwissenschaften.“ Hierin
liegt gerade das Wesen der modernsten Gesellschaft, die es geben kann, das nämlich
mittels dem freien Antragsrecht das Besondere, hier das Einzelmitglied, der
Allgemeinheit, hier der Generalversammlung, ein Konzept als Motiv für ihr
Handeln antragen kann, und das dieser, nach genügender Absprache und Beratung,
beschließen kann dieses Motiv zu verwirklichen, in die Praxis umzusetzen.
Das freie Antragsrecht einschränken, ja sogar abschaffen, heißt die
Anthroposophische Gesellschaft als Freiheitsgesellschaft einkerkern.“
Hierzu kommt noch das Folgende: Eigentlich wäre der Vorstand der AAG,
wie die erste Fassung des Furrer-Erdmenger-Gutachtens auch empfohlen hat, höchstens
berechtigt gewesen, diese Generalversammlung nur einzuberufen, und weiter gar
nichts. Höchstens, denn die Begründung ihrer Selbstbestimmung als
Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft auf Grund des aus dem Obligationenrecht
stammenden Rechtssatzes „Geschäftsführung ohne Antrag“ ist schon fragwürdig
genug. Um so mehr, das von ihm angeeignete Recht, ohne Mitwirkung der Mitglieder,
selber die Tagesordnung festzulegen und die Gesprächsleitung zu führen.
Das Recht darüber noch hinaus um berechtigte Anliegen und Anträge
von Mitglieder als ungültig zu erklären, ist aber wirklich nicht mehr
von dieser Welt und dieser Zeit! Man ums sich denn auch ernsthaft die Frage,
stellen, von woher kommen eigentlich dieser Vorstand mit seinen Rechtsberatern,
das er sich als berechtigt und befugt erklären läßt, solche
Hoheitsdekrete zu erlassen, um dann am Schluß noch, wie dies bei anderen
Mitgliedern auch der Fall war, die Hoffnung auszusprechen, „das Sie für
die Beurteilung Ihrer Anträge Verständnis haben können.“ Mit
freundlichen Grüße aus Dornach. Wie man sich vielleicht vorstellen
kann, hat dies bei verschiedenen Mitgliedern, wie Mees Meeussen, Rudolf Saacke,
Ulrich Hölder und Detlef Oluf Böhm zu wütende Reaktionen geführt,
und nicht zuletzt zu den Entschluß, auf eigenen Kosten, einen Anwalt zu
engagieren, um den Vorstand und seinen Berater zur Ordnung, ja zurück auf
die Erde, zu rufen.
Glücklich spielt sich dies alles ab in der Schweizerischen Eidgenossenschaft
mit seinem durch Blut und Träne erkämpften freiheitlichen Vereinsrecht,
auf dem man sich im Notfall berufen kann und soll. „Mit allem Vereinsmässigen
zu brechen“, wie Rudolf Steiner die Neugründung der Anthroposophischen
Gesellschaft an der Weihnachtstagung auch charakterisierte, kann nicht heißen,
im Gegensatz zum Recht und Rechtsempfinden des Gastlandes zu handeln. Er besteht
also vielleicht doch noch eine kleine Hoffnung, das dieser „außerirdische“
Angriff auf die „modernste Gesellschaft die es geben kann (Rudolf Steiner an
der Weihnachtstagung) abgewendet werden kann, bevor er Platz greift. Er wird
aber auf jeden Fall nachher selber angefochten werden. Wer Wind sät, wird
Sturm ernten.