Die Generalversammlung möge beschließen, alle 17 Beschlussvorlagen und die dazu eventuell eingereichten Anliegen und Anträge in Besprechungsvorlagen umzuwandeln, also keine Beschlüsse zu fassen und die Beratungen als Empfehlungen für das weitere Vorgehen aufzufassen.
Begründung: Der Vorstand versteht sein Vorhaben „nicht als juristische
Formfrage, sondern als Initiative, den Impuls Rudolf Steiners bei der Weihnachtstagung
1923/24 für das kommende Jahrhundert zu verstärken.“ Dagegen ist im
Prinzip nichts einzuwenden; im Gegenteil, man kann es nur lebhaft und dankbar
begrüßen.. Das Problem liegt somit nicht in dem Vorhaben, sondern
in dem Vorgehen: stimmen die bisher gemachten und weiter angekündigten
Schritte überein mit dem hohen Ziel? – Nun, aus der bisherigen z.T. sehr
negativen Reaktionen der Mitglieder im Nachrichtenblatt usw. auf das übereilige
Verfahren des Vorstands um seine kontroversen Statutenergänzungen durchzusetzen,
muss festgestellt werden, dass diese konstitutionellen Erneuerungsbestrebungen
noch lange nicht zu einem gemeinsamen Bewusstsein geführt haben. Ohne diese
unabdingbare Voraussetzung ist es aber unsinnig, unverantwortlich und unhaltbar
in einer Erkenntnis- und Gesinnungsgesellschaft schon jetzt konkrete Schritte
auf diesem dornigen Weg zu machen. Dies um so mehr, da nur etwa 20 Minuten per
Beschlussvorlage uns zur Verfügung steht, da viele Anträge vorliegen
und man deswegen, ohne Hellseher sein zu müssen, voraussagen kann, dass
wir durch die ungenügende Vorbereitung unter selbstherbeigeführtem
Zeitdruck verhindert sein werden, so vorzugehen, wie Rudolf Steiner bei der
Statutendebatte und Abstimmung an der Weihnachtstagung 1923 vorgegangen war,
nämlich nicht weiterzugehen bis alle, die das wollten, zu Wort gekommen
sind.
Des weiteren schreibt der Vorstand in seiner Einladung „ Mit der Mitgliederversammlung
verbinden wir das Ziel, für die bei der Weihnachtstagung 1923/24 als allgemeine
Anthroposophische Gesellschaft begründete Körperschaft durch Wahl
des Vorstands und Ergänzung der Statuten verbindliche Handlungsfähigkeit
herzustellen.(...) im Hinblick auf diese Handlungsfähigkeit sind bei fünf
Artikel Ergänzungen erforderlich.“ Zunächst ist festzustellen, dass
nach Rudolf Steiner die Statuten der Weihnachtstagung 1923/24, nicht ergänzungsbedürftig
waren, sondern völlig ausreichten und nur verwirklicht werden sollen. So
sagte er während der Statutendebatte an der Weihnachtstagung am 27. Dezember
1923: „Der Zentralvorstand wird als seine Aufgabe lediglich die Realisierung
der Statuten zu betrachten haben; er wird alles zu tun haben, was in der Richtung
der Realisierung der Statuten liegt. Und damit ist eine große Freiheit
gegeben. Aber zugleich weiß man auch, was man an diesem Zentralvorstand
hat, denn man hat die Statuten und kann aus ihnen ein vollständiges Bild
gewinnen von dem, was er jemals tun wird.“ Daraus ersieht man schon, dass die
Anthroposophische Gesellschaft, im Gegensatz zur Freien Hochschule, nicht in
erster Linie auf die Person und Leitung von Rudolf Steiner aufgebaut ist, wie
manchmal behauptet wird, sondern auf die allumfassenden Freiheitsstatuten, die
es zu verwirklichen gilt. Dass die Gesellschaft ohne Rudolf Steiner natürlich,
wie er auch selber sagte „eine ganz andere wäre“ bedeutet nicht, dass die
Statuten ihre Aktualität verloren haben, aber dass deren begriffliche Durchdringung
und Verwirklichung durch die moralische Intuition, Fantasie und Technik ohne
die unmittelbare Mitwirkung Rudolf Steiners umso schwerer ist. Aber: „Man hat
die Statuten und kann aus Ihnen ein vollständiges Bild gewinnen von dem
was er jemals tun wird.“ In diesem Sinne bedürfen also die Statuten als
solche keine Ergänzung oder Explizierung, um die sog. verbindliche Handlungsfähigkeit
des heutigen Vorstands zu ermöglichen; dies trotzdem tun zu wollen, ohne
weiteres durchzusetzen und sogar zuzustimmen wäre ein zweifaches Unding.
Für den Vorstand ist es eine Selbstermächtigung, die seinem Eingeständnis
entspringt, dass er unfähig ist, die reinen Statuten zu verwirklichen;
für die Mitgliedschaft kommt es ja einer Selbstentmündigung gleich,
denn die Mitgliederversammlung würde durch diese Zustimmung ihre eigene
Handlungsfähigkeit erheblich schwächen und hier, wie das schon 1975
in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft geschah, das von Rudolf Steiner
im 10. Statut verankerte freie Antragsrechts abschaffen.
Das weitere Argument des Vorstands, dass nun erst mal formell abgestimmt werden
soll, um dann in einer späteren Phase inhaltliche Veränderungen und
Lösungen irgendwie vorzunehmen, wie bezüglich das Problem des Hochschulvermerks
im 8. Statut, stellt die Welt ebenfalls auf den Kopf. Denn, wie Rudolf Steiner
bei der Weihnachtstagung sagte, die Statuten sollen schlichtweg nur Realitäten
beschreiben, alles Programmatische soll ausgeschlossen sein. Die Anthroposophische
Gesellschaft der Weihnachtstagung während dieser Generalversammlung durch
bloße Juristerei und vage Versprechungen reaktivieren und danach weiterführen
zu wollen ist weihnachtstagungwidrig. Das Ziel heiligt die Mittel nicht.